Silvia Noronha
the breath below
14. Januar – 20. Februar 2022 -Kunstverein Göttingen
Kuratiert von Vincent Schier
In ihrer Arbeit setzt sich Silvia Noronha mit möglichen Zukunftsszenarien auseinander und untersucht, wie diese aus dem Jetzt heraus beeinflusst werden. Dabei erarbeitet sie in langfristig angelegten Rechercheprozessen und in interdisziplinären Zusammenarbeiten Langzeitprojekte, die sich über die Zeit und mit neu gewonnen Erkenntnissen erweitern, verändern und transformieren.
Für die Ausstellung im Kunstverein Göttingen verwandelt die Künstlerin den Ausstellungsraum in eine Materialsammlung. Steine, Hölzer, Baustoffe und Metalle lagern in der Ausstellung und verbinden sich zu einem Abbild unserer direkten Umgebung. Die Interaktion zwischen den verschiedenen Materialien zeigt, wie in dieser Umgebung am Ende alles zusammenhängt. Eine partizipative Soundinstallation, die in Zusammenarbeit mit dem Soundkünstler Niko de Paula Lefort entsteht, macht diesen Umstand nicht nur seh- sondern auch hörbar, denn Besucher*innen bewegen sich in der Ausstellung innerhalb der energetischen Wechselbeziehungen zwischen Materie und Umwelt, die durch ein performatives Funkübertragungsökosystem eingefangen und übersetzt werden. So werden sie zu einem integrativen Teil der Materialsammlung und können diese erleben und aktivieren.
Auch für die Arbeit Endo Coisa [Innending], deren wachsenden Kristalle die Arbeit über die Dauer der Ausstellung verändern werden, war die Zusammenarbeit mit Anais-karenin grundlegend , denn ihr Wissen über Pflanzen war für die Arbeit ebenso wichtig, wie Silvia Noronhas intensive Auseinandersetzung mit Gesteinen.
Die Grundannahme, dass alles zusammenhängt, zeigt sich auch in der fortlaufenden und sich stetig erweiternden, künstlerischen Recherche Shifting Geologies. Im Rahmen der 2020 begonnen Arbeit richtet die Künstlerin den Blick in eine mögliche Zukunft und macht sichtbar, wie archäologische Funde in einer fernen Zeit aussehen könnten. Gleichzeitig thematisiert sie, was diese über den Umgang mit unserer Umwelt verraten werden. the breath below ist jedoch keine Ausstellung, die sich mahnend mit ökologischen Fragen auseinandersetzt. Vielmehr ist sie Beobachtung und Bestandsaufnahme, die Zusammenhänge sichtbar macht und aufzeigt, dass die Beziehungen zwischen Material, Zivilisation und Umwelt das Heute überdauern werden.
Mit herzlichem Dank an:
Anais-karenin, Julianne Cordray, Niko de Paula Lefort, Sergej Eistrach, Karl Heyer, Marius Land, Johanna Meyer, Max Winter, Florian Bendsen, Hannelore Bendsen, Martin Schlecht,
Prof. Dr. Martin Kaupenjohann, Brisa Noronha, Kira Dell,
Wir danken unseren Förderern
Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft und Kultur / Göttingen / Sparkasse Göttingen / Landschaftsverband
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sensible fields (2022)
Eine Zusammenarbeit von Silvia Noronha & Niko de Paula Lefort
Ortsspezifische Installation
In der Installationsarbeit sensible fields befassen sich Silvia Noronha & Niko de Paula Lefort damit, in welcher Wechselbeziehung Materialien mit ihrer Umgebung stehen, und wie sie diese „wahrnehmen“. Dabei werden unterschiedliche Materialien – Steine, Sand, Muscheln, Kunststoffe, Erde, Metall, Elektronik und Glas – als individuelle Einheiten verstanden, die ihre Umgebung beeinflussen und deren Verbindungen den Raum, der sie umgibt, prägen. Um dieser Grundannahme nachzugehen, installieren die Künstler*innen ein performatives Funkübertragungsökosystem, das dieses Beziehungsgeflecht, sowie Veränderungen darin, erkennt und in Klang übersetzt. sensible fields wird so für Betrachter*innen zu einer immersiven Umgebungserfahrung, indem sie selbst Teil dieser Wechselbeziehungen werden und in der sie dazu aufgefordert sind, sich mit der eigenen Position und Handlung im Raum zu befassen.
Durch Bewegung – Besucher*innen sind hier aufgefordert, sich aktiv daran zu beteiligen –, Vibration und Schwingung werden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Materialeinheiten aktiviert und verändert. Dabei ist das elketromagnetische Umfeld, das für das Auge unsichtbar ist, Werkzeug und Material zugleich, denn durch es werden die Umgebungsinformationen in Form von Frequenzen transportiert, die das Beziehungsgeflecht im Raum überhaupt erst möglich machen.
Schlussendlich ist sensible fields auch eine Beobachtung des alltäglichen Seins, in dem wir uns kontinuierlich in einer materiellen Gemeinschaft mit unserer Umgebung befinden.
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Endo Coisa (2021)
Eine Zusammenarbeit von Silvia Noronha & Anais-karenin
Die prozessbasierten Arbeit Endo Cosia [Innending] befasst sich mit dem Transformationsprozess von einer Daseinsform in eine andere. Dabei wird untersucht, welche verborgenen Informationen zwischen unterschiedlichen Materialitäten liegen und welche Rückschlüsse diese auf die Umgebung zulassen. Denn hier liegt Wissen über unsere Umwelt begraben, dass sich nur erfassen lässt, wenn vorgedachte und -gegebene Kategorien aufgebrochen werden.
Für die Arbeit wird Pflanzen das für sie lebenswichtige Chlorophyl (Blattgrün) entzogen und anschließend als reines Farbpigment von mineralischen Kristallen absorbiert, die einen Stein bewachsen. Salz, das in dieser Transformation als Informationsträger und Bindeglied fungiert, ermöglicht die Vereinigung von mineralischen und pflanzlichen Informationen und damit auch mit den Geschichten, die in den unterschiedlichen Materialien gespeichert sind.
Silvia Nornoha und Anais-karenin überschreite in dieser Arbeit somit die Grenzen, die zwischen unterschiedlichen Materialien (z.B. organisch und anorganisch) gezogen werden und betrachten alle Bestandteile einer Umwelt als empfindsame und mitteilende Wesen. Informationen über die Umwelt die Steine in sich tragen, und die oftmals zeitlich sehr weit zurückreichen, werden so mit umfassendem Wissen über ein gesamtes Ökosystem verbunden, das oftmals in Pflanzen gefunden werden kann.
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Shifting Geologies (2020 – ongoing)
Mit Shifting Geologies, einer fortlaufenden und sich stetig erweiternden, künstlerischen Recherche, die 2020 ihren Anfang nahm und die sich seitdem ständig in Bewegung befindet, richtet die Künstlerin Silvia Noronha den Blick in eine mögliche Zukunft. In der Rauminstallation verweist sie darauf, wie archäologische Funde in einer fernen Zeit aussehen könnten und gleichzeitig thematisiert sie, was diese über den Umgang mit unseren Umwelten verraten werden.
In einem Prozess, bei dem die Künstlerin gefundene Materialien extremer Hitze aussetzt, wird ein Vorgang imitiert, der Teil geologischer Entwicklungen ist – beispielsweise bei der Entstehung von metamorphem Gestein, das durch die Erhöhung von Temperaturen oder Druck tief in der Erdkruste entsteht, das jedoch bei der mineralogischen Umwandlung seinen festen Zustand beibehält.
Von Menschen gemachte Materialien wie Elektronik oder Plastik, Rückstände und Überreste von Zivilisationen verbinden sich in den einzelnen Teilen der Installationsarbeit mit natürlichen und organischen Materialien und lassen so einen Rückschluss auf das menschliche Wirken in der Umwelt zu. Miteinander verschmolzen und ineinander gepresst verraten die wie Ausgrabungsstücke präsentierten Objekte etwas darüber, was die menschliche Zivilisation zurücklässt und wie eine Geologie aussehen könnte, nachdem menschengemachte und natürliche Materialien im Laufe der Zeit miteinander verschmolzen sind. Shifting Geologies zeichnet dabei jedoch kein dystopisches Bild einer vermeintlichen Zukunft, sondern stellt vielmehr die Frage, wie diese aussehen könnte.